Nach den Worten des türkischen Finanz- und Schatzministers Mehmet Şimşek steuert die Türkei auf eine wirtschaftliche Stabilisierung zu. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters erklärte Simsek, dass die Inflationsrate des Landes bis 2027 auf ein einstelliges Niveau sinken solle. Bereits im Juli 2025 sei die Inflation mit 33,5 Prozent auf den niedrigsten Stand der vergangenen 44 Monate gefallen.
„Wir haben unsere externen Verwundbarkeiten deutlich reduziert, unsere Widerstandsfähigkeit gegen Schocks gestärkt und die makrofinanzielle Stabilität ausgebaut“, sagte Şimşek. Der derzeit laufende Deinflationsprozess sei erfolgreich und werde durch eine koordinierte Geld-, Finanz- und Einkommenspolitik sowie angebotsseitige Maßnahmen unterstützt.
Moderate Erholung trotz globaler Unsicherheiten
Die türkische Wirtschaft hat sich im ersten Quartal 2025 mit einem Wachstum von zwei Prozent moderat entwickelt. Während der private Konsum auf Jahressicht zurückging, trugen Investitionen positiv zur Wirtschaftsleistung bei. Die Bau- und Dienstleistungssektoren zeigten sich robust, während die Industrieproduktion aufgrund weniger Arbeitstage rückläufig war. Auf Quartalsbasis schwächte sich die Binnennachfrage wegen strengerer Finanzierungsbedingungen ab, während sich die Außenhandelsbilanz verbesserte.
Im zweiten Quartal stagnierte die Produktion in Industrie und Dienstleistungen. Indikatoren wie das Einzelhandelsvolumen und die Kreditkartenausgaben blieben hinter den Erwartungen zurück. Laut Şimşek dürfte die sogenannte Produktionslücke – ein Maß für unausgelastete Wirtschaftskapazitäten – negativ bleiben und sich auch zum Jahresende nicht vollständig schließen.
„Wir rechnen damit, dass das Wachstum im Jahr 2025 leicht unter den Zielen des mittelfristigen Wirtschaftsprogramms liegen wird“, erklärte Şimşek. Dies sei jedoch kein Zeichen eines harten Einbruchs, sondern lediglich einer temporären Abschwächung. Mittelfristig gebe es keinen Zielkonflikt zwischen Wachstum und Inflation, im Gegenteil: „Preisstabilität ist die Voraussetzung für dauerhaft hohes Wachstum.“
Deutliche Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung
Die Inflationsrate ist seit Juni 2024 kontinuierlich gesunken. Besonders erfreulich ist die Entwicklung in Bereichen wie Nahrungsmittel (+28 %), Güter des täglichen Bedarfs (+20,7 %) und Dienstleistungen, wo die Teuerung erstmals seit über drei Jahren unter 50 Prozent gefallen ist. Die Kerninflation hat in allen Unterkategorien rückläufige Tendenzen gezeigt. Auch die Produzentenpreise sind so langsam gestiegen wie seit Jahresbeginn nicht mehr.
„Die Bedingungen für Deflation sind weitgehend gegeben“, erklärte Şimşek. Die Regierung hält an ihrer Jahresprognose fest, wonach die Inflation bis Ende 2025 innerhalb der Zielspanne der Zentralbank liegen wird.
Ein Blick auf die langfristige Entwicklung unterstreicht Simşeks Argument: Zwischen 1993 und 2002 lag die Inflation im Durchschnitt bei 71,8 Prozent, während das Wachstum lediglich bei 3,1 Prozent lag. In der folgenden Dekade fiel die Inflation auf durchschnittlich 9,3 Prozent, während das Wachstum auf 5,7 Prozent stieg. In den Jahren 2013 bis 2024 stieg die Inflation erneut auf 25,1 Prozent, während das Wachstum auf 5,1 Prozent zurückging.
Internationale Risiken bleiben bestehen.
Trotz der positiven Tendenzen warnt Şimşek vor externen Risiken. Insbesondere die Schwankungen bei den Ölpreisen könnten in den kommenden Monaten für Aufwärtsdruck sorgen. So haben die gestiegenen Rohölpreise im Juni die Kosten für Treibstoff und Transport spürbar erhöht. Auch globale Handelskonflikte und geopolitische Spannungen könnten zu Unsicherheiten führen.
Dennoch sieht Şimşek auch Chancen: Laut einem US-Dekret vom 31. Juli 2025 zählt die Türkei zu den Ländern mit den niedrigsten Importzöllen. Das ist ein Wettbewerbsvorteil, insbesondere gegenüber Staaten aus Asien und Lateinamerika.
Ziel: Inflation unter 10 Prozent ab 2027
Langfristig zeigt sich der Finanzminister optimistisch: „Wir erwarten, dass die Inflation 2026 unter die Marke von 20 Prozent fällt und 2027 schließlich einstellig wird.“ Dabei spiele nicht nur die straffe Geldpolitik, sondern auch die verstärkte Koordination zwischen Fiskalpolitik, Einkommenspolitik und angebotsseitigen Maßnahmen eine Rolle.
Die Erwartungen der Märkte sind bereits gesunken: Lag die erwartete Inflation in den kommenden zwölf Monaten im Oktober 2023 noch bei 45 Prozent, so ist dieser Wert im Juli 2025 auf 23 Prozent gefallen. Für Ende 2026 rechnen Marktteilnehmer im Durchschnitt mit einer Inflationsrate von rund 20 Prozent, einige sogar mit noch niedrigeren Werten.
„Die entscheidende Aufgabe bleibt, diesen Trend dauerhaft zu sichern. Unsere Maßnahmen zeigen Wirkung – wir befinden uns auf dem richtigen Kurs“, so Şimşek abschließend.