Die türkische Industrie befindet sich in einer schwierigen Phase. Der von der Industrie- und Handelskammer Istanbul (ISO) veröffentlichte Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe fiel im Juni 2025 auf 46,7 Punkte – der niedrigste Stand seit acht Monaten. Damit setzt sich der seit April 2024 anhaltende Abwärtstrend der industriellen Aktivität in der Türkei fort.
Ein PMI-Wert unterhalb der neutralen 50-Punkte-Marke signalisiert eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen. Bereits im Mai lag der Index bei 47,2 Punkten. Der erneute Rückgang zeigt, dass die Auftragslage weiterhin schwach bleibt. Die Nachfrage – sowohl im Inland als auch im Export – entwickelt sich rückläufig. Neue Bestellungen gingen zurück, was den Produktionsrückgang im zweiten Jahr in Folge untermauert. Auch die Exportnachfrage konnte dem Negativtrend nicht entgegenwirken.
Die sinkende Auftragslage zwingt viele Unternehmen zur Drosselung ihrer Produktion. Seit Oktober 2024 verzeichnen Hersteller einen deutlichen Rückgang ihrer Fertigungsmengen. Diese Entwicklung macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar: Die Beschäftigung ging so stark zurück wie seit neun Monaten nicht mehr. Gleichzeitig reduzierten viele Betriebe ihre Einkäufe, was zu einem merklichen Abbau der Lagerbestände an Rohmaterialien führte. Im Gegensatz dazu nahmen die Lager fertiger Erzeugnisse erstmals seit drei Monaten wieder zu, was ein Zeichen für stockende Absatzmärkte ist.
Kosten steigen, Preise stagnieren
Während die Produktionsleistung zurückging, stiegen die Kosten weiter an. Die Inflation bei den Vorleistungskosten legte im Juni leicht zu. Ursachen hierfür waren unter anderem die Abwertung der Lira und geopolitische Entwicklungen, insbesondere im Iran. Dennoch konnten die Unternehmen diese höheren Kosten nur bedingt an ihre Kunden weitergeben: Die Verkaufspreise stiegen langsamer als in den Vormonaten. Viele Firmen sahen sich aufgrund der schwachen Nachfrage in ihrer Preissetzungsmacht eingeschränkt.
Ein weiteres Warnsignal kommt aus der Logistik: Erstmals seit vier Monaten haben sich die Lieferzeiten der Zulieferer wieder verlängert. Laut den Befragten war der Mangel an Rohstoffen für die Verzögerungen verantwortlich.
Kommentar von S&P Global
Andrew Harker, Wirtschaftsdirektor bei S&P Global Market Intelligence, fasst die Lage wie folgt zusammen: „Die türkischen Hersteller stehen weiterhin unter erheblichem Druck durch die schwache Nachfrage. Die Produktionsdrosselungen erreichten im Juni ihren Höhepunkt seit Oktober 2024, gleichzeitig bauten sich in vielen Betrieben Lagerbestände fertiger Waren auf – ein untrügliches Zeichen für nachlassenden Absatz.“
Dennoch blickt Harker vorsichtig optimistisch auf die zweite Jahreshälfte 2025: „Trotz der Herausforderungen hoffen viele Marktteilnehmer auf eine Erholung im weiteren Jahresverlauf.“
Alle Sektoren im Minus
Ein Blick auf die sektorale Verteilung zeigt das Ausmaß der Krise: Erstmals seit neun Monaten verzeichneten im Juni alle zehn beobachteten Branchen einen Rückgang ihrer Produktionsleistung. Besonders betroffen waren erneut die Bereiche Bekleidung und Leder sowie die Hersteller nichtmetallischer Mineralprodukte.
Ein leicht positiver Trend zeigte sich bei den Auftragseingängen. Der Maschinen- und Metallbereich konnte sich dem allgemeinen Rückgang entziehen und verzeichnete sogar ein leichtes Plus bei den Neuaufträgen – ebenso wie drei weitere Sektoren im Exportgeschäft. Der Maschinen- und Metallsektor war zudem der einzige Bereich, in dem die Exportaufträge kräftig zulegten – mit dem höchsten Wachstum seit einem Jahr.
In Sachen Beschäftigung konnten lediglich zwei Sektoren Personal aufbauen: die Grundmetallindustrie und die Hersteller von elektrischen und elektronischen Geräten. Im Maschinen- und Metallbereich fiel die Beschäftigung hingegen auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020.
Besonders auffällig war der Kostenanstieg in diesen Bereichen: Hier erreichten die Vorleistungskosten den höchsten Stand seit 15 Monaten. Während fast alle Branchen ihre Produktpreise erhöhten, blieb die Teuerung in der Bekleidungs- und Lederindustrie vergleichsweise gering. Bemerkenswert ist, dass sich die Inflation in den meisten Sektoren gegenüber dem Vormonat abgeschwächt hat, obwohl die Preise erhöht wurden.
Die Lieferketten blieben weiterhin angespannt. Während im Mai in sieben von zehn Branchen die Lieferzeiten kürzer wurden, war das im Juni nur noch in zwei der Fall – ein klares Signal für zunehmende Versorgungsprobleme.