Türkei: Inflation übertrifft Erwartungen – Experten warnen vor stagflationsähnlicher Lage

12.10.2025 – 6:30 Uhr

Die Inflation in der Türkei hat im September die Erwartungen der Märkte übertroffen. Wie aus den am Mittwoch veröffentlichten Daten des türkischen Statistikamts (TÜİK) hervorgeht, stieg der Verbraucherpreisindex (TÜFE) im Monatsvergleich um 3,23 Prozent und erreichte im Jahresvergleich 33,29 Prozent.

Die Lebensmittelpreise legten dabei um 4,62 Prozent zu, während die Preise im Bereich Wohnen um 51,36 Prozent stiegen. Auch die speziell berechnete Kerninflation zeigte mit 3,34 Prozent monatlich bzw. 32,86 Prozent jährlich weiterhin hohe Werte.

Gizem Öztok Altınsaç, Chefvolkswirtin des Türkischen Industrie- und Unternehmerverbands (TÜSİAD), warnte vor einer zunehmend festgefahrenen Inflationsdynamik. „In den letzten drei Monaten ist der Trend deutlich gestört. Unter 30 Prozent zu kommen, wird zunehmend schwierig“, sagte Altınsaç.

Die Ökonomin machte insbesondere extreme Preissteigerungen im Bildungsbereich (17 Prozent) und durch Frostschäden in der Landwirtschaft dafür verantwortlich. Diese Faktoren hätten zusammen etwa zwei Prozentpunkte zur Gesamtinflation beigetragen. Selbst ohne diese Einflüsse blieben die bereinigten Inflationswerte jedoch hoch.

Altınsaç betonte, dass die Preissteigerungen nicht nur auf vorübergehende Schocks zurückzuführen seien: „Die Konsumnachfrage bleibt robust, während das Angebot unter Druck steht. Diese Mischung erzeugt ein stagflationsähnliches Bild in der Wirtschaft.“

Die Situation erschwere auch die Geldpolitik der Zentralbank. „Die Wirtschaft befindet sich im negativen Produktionsgap, daher müssten die Finanzierungskosten gesenkt werden. Gleichzeitig wirken jedoch starke inflationsfördernde Kräfte. Diese Gleichung erschwert die Politikgestaltung zunehmend“, sagte Altınsaç.

In den vergangenen Monaten hatte die Zentralbank die Zinsen stark gesenkt. Altınsaç kritisierte den schnellen Rhythmus dieser Schritte: „Ein langsameres, gestuftes Vorgehen hätte die Inflation besser geschützt.“ Sie appellierte zudem an die Zentralbank, das Vertrauen der Märkte zu stärken und ihre Inflationsziele besser zu kommunizieren.

Marktbeobachter sehen in der Kombination aus anhaltend hoher Inflation und wachsender wirtschaftlicher Verlangsamung ein Warnsignal für den möglichen Eintritt in eine Stagflation. Altınsaç schloss mit der Einschätzung: „Noch sprechen wir nicht von Stagflation, aber die Bedingungen entwickeln sich eindeutig in diese Richtung. Neben geldpolitischen Maßnahmen werden strukturpolitische Reformen immer wichtiger.“