Die Ratingagentur Fitch Ratings bescheinigt der türkischen Wirtschaft zwar eine anhaltende Widerstandskraft, warnt jedoch zugleich vor politischen Eingriffen, die ihre Stabilität gefährden könnten. Bei einer Veranstaltung in Istanbul erklärte der für die Türkei zuständige Fitch-Direktor Douglas Winslow, die größte Hürde für eine weitere Verbesserung des Kreditratings sei nach wie vor das Risiko politischer Einflussnahme auf die Geldpolitik.
Fitch hatte das Rating der Türkei im vergangenen Jahr um zwei Stufen auf BB- angehoben, was vor allem auf die deutliche Verbesserung der Devisenreserven zurückzuführen ist. Diese belaufen sich derzeit auf rund 180 Milliarden US-Dollar, verglichen mit 100 Milliarden Dollar im Jahr 2023, und auch ihre Qualität habe sich spürbar verbessert, so Winslow. Dennoch sei das Niveau „gemessen am hohen Finanzierungsbedarf des Landes noch nicht komfortabel“.
Winslow hob mehrere Stärken der türkischen Wirtschaft hervor: die vergleichsweise niedrige Staatsverschuldung, die Stabilität des Bankensektors und die anhaltende Fähigkeit, Zugang zu internationalem Kapital zu finden. Als größte Schwäche nannte er dagegen die anhaltend hohe Inflation und die Frage, ob die derzeit orthodoxe Wirtschaftspolitik langfristig Bestand haben werde.
„In den vergangenen 18 Monaten haben wir eine Rückkehr zu einer konventionelleren Geldpolitik beobachtet“, sagte Winslow. „Ob dieser Kurs auch über den politischen Zyklus hinweg beibehalten wird, ist jedoch unklar.“ Er verwies auf die hohe Fluktuation an der Spitze der türkischen Zentralbank – fünf Gouverneure in nur fünf Jahren – als Zeichen fortbestehender Unsicherheit.
Fitch erwartet für die kommenden Jahre ein moderates, aber stabiles Wachstum: 3,5 Prozent in diesem und im nächsten Jahr sowie 4,2 Prozent im Jahr 2027. Gleichzeitig rechnet die Agentur mit einem langsamen Rückgang der Inflation. Diese dürfte 2025 im Durchschnitt bei etwa 24 Prozent und 2026 knapp unter 20 Prozent liegen. Damit würde die Teuerung weiterhin deutlich über dem Ziel der Zentralbank liegen.
Winslow warnte jedoch, dass der jüngste Rückgang der Inflation nicht zwangsläufig fortgesetzt werden könne. Vor allem die Dienstleistungspreise und die Erwartungen der Haushalte blieben hoch. „Die Inflation hat das Potenzial, hartnäckig zu bleiben”, so Winslow.
Positiv bewertet Fitch die bessere Abstimmung zwischen Finanz- und Geldpolitik sowie die Fortsetzung positiver Realzinsen, die ausländische Kapitalzuflüsse begünstigen könnten. Dennoch erwartet Winslow im Umfeld der voraussichtlichen Wahlen im Jahr 2027 eine gewisse Lockerung der Wirtschaftspolitik, ohne allerdings eine Rückkehr zu unkonventionellen Maßnahmen wie im Jahr 2022 zu befürchten.
Die Agentur sieht kurzfristig keine weitere Ratingänderung. Die Bewertung bleibt auf „BB- mit stabilem Ausblick“. Eine Verbesserung sei laut Winslow erst denkbar, wenn sich das Vertrauen in die geldpolitische Unabhängigkeit festige, die Inflation deutlich sinke und die Devisenreserven weiter anwüchsen.
„Die Türkei hat bemerkenswerte Fortschritte erzielt”, resümierte Winslow. „Doch entscheidend wird sein, ob diese Politik auch dann fortgesetzt wird, wenn der politische Druck steigt.“