Die Türkei hat in den letzten Monaten bedeutende Fortschritte im Energiesektor erzielt. Wie Energieminister Alparslan Bayraktar kürzlich bekannt gab, wurden zahlreiche Entdeckungen gemacht, Investitionen getätigt und strategische Kooperationen eingegangen. All dies stärkt nicht nur die Energieunabhängigkeit des Landes, sondern entfaltet auch eine geopolitische Bedeutung.
Milliardenfund im Südosten der Türkei
Bei Erdölsucharbeiten in den Regionen Diyarbakır, Gabar und Batman wurden laut Bayraktar neue Reserven von insgesamt 57 Millionen Barrel Öl entdeckt. Der geschätzte Marktwert beträgt rund vier Milliarden US-Dollar. Besonders hervorzuheben ist das Potenzial in Diyarbakır, wo auf einer Fläche von 7.600 Quadratkilometern bis zu sechs Milliarden Barrel unkonventionelles Öl vermutet werden. Derzeit laufen in Zusammenarbeit mit US-Firmen, die über modernste Fracking-Technologien verfügen, Pilotprojekte mit 24 Bohrungen.
Karadeniz-Offensive: Erdgas für Millionen Haushalte
Auch im Schwarzen Meer wurden Fortschritte erzielt. Die Göktepe-3-Bohrung brachte einen Fund von 75 Milliarden Kubikmetern Erdgas zutage – genug, um den Gasbedarf der türkischen Haushalte für 4,5 Jahre zu decken. Der wirtschaftliche Gegenwert beträgt rund 30 Milliarden Dollar. Bis Sommer 2026 soll die zweite Phase der Gasförderung mit der Inbetriebnahme der Plattform Osman Gazi abgeschlossen sein. Dadurch könnten acht Millionen Haushalte versorgt werden.
Syrien: Energie als außenpolitisches Instrument
Ein weiteres zentrales Projekt ist die energetische Unterstützung Syriens. Über eine neu gebaute Pipeline zwischen Kilis und Aleppo wird ab sofort Gas geliefert, unter anderem aus Aserbaidschan und Katar. Das Ziel besteht darin, die Stromversorgung in syrischen Gebieten von derzeit 3–4 auf 10 Stunden pro Tag zu erhöhen. Gleichzeitig plant die Türkei, ihre Stromexporte nach Nordsyrien auf bis zu 900 Megawatt zu steigern.
Nukleare Zukunft: Akkuyu vor dem Start, Sinop und Trakya in Planung
Die Fertigstellung des ersten Reaktors des Akkuyu-Kernkraftwerks verzögert sich aufgrund internationaler Lieferschwierigkeiten voraussichtlich bis 2026, dennoch soll die Anlage künftig zehn Prozent des nationalen Strombedarfs decken. Weitere Großprojekte mit jeweils acht Reaktoren in Sinop und der Region Trakya sind in Planung. Die Türkei strebt bis 2050 eine nukleare Kapazität von 20.000 Megawatt an.
Kleine modulare Reaktoren (SMR): Gesetzesinitiative angekündigt
Minister Bayraktar kündigte zudem ein Gesetz zur Förderung sogenannter Small Modular Reactors (SMR) an. Diese könnten künftig lokal, etwa in Industriegebieten, zur Stromversorgung eingesetzt werden. Das langfristige Ziel ist es, 5.000 Megawatt über SMR bereitzustellen – auch mit türkischer Fertigung und Exportpotenzial.
Erneuerbare Energien: Ausbau auf Rekordkurs
Im Bereich Wind- und Solarenergie ist ein Rekordausbau geplant: Bis 2025 sollen 10.000 Megawatt neu ans Netz gehen. Minister Bayraktar verweist auf 50.000 neu geschaffene Arbeitsplätze durch den Ausbau erneuerbarer Energien und sieht in kürzeren Genehmigungsverfahren einen zentralen Hebel für weiteres Wachstum.
Bergbau: Neue Regeln für Umwelt und Staatseinnahmen
Im Bergbausektor wurden die Rehabilitationskosten verdoppelt und neue Umweltvorgaben eingeführt. Gleichzeitig sollen die staatlichen Anteile an Edelmetallförderungen, etwa bei Gold, Kupfer und Nickel, auf bis zu 31 % steigen.
Energiehilfe für Haushalte: Sozialpolitik bleibt erhalten
Trotz wachsender Ausgaben – allein für das Jahr 2024 sind rund 293 Milliarden Lira für Energiehilfen eingeplant – betont Bayraktar die Fortsetzung der Unterstützung für Haushalte mit durchschnittlichem Verbrauch. Überhöhte Verbraucher wurden hingegen aus den Programmen ausgeschlossen. In zwei Jahren summieren sich die staatlichen Zuschüsse auf 900 Milliarden Lira.
Internationale Energiepartnerschaften: Fokus auf Irak, Somalia und Afrika
Ein zentrales Projekt ist nach wie vor die Reaktivierung des Irak-Türkei-Ölpipelinesystems. Die Türkei plant ein neues Abkommen, um bis zu 1,5 Millionen Barrel täglich über Ceyhan zu exportieren – ein Geschäft mit einem Jahresvolumen von bis zu 40 Milliarden Dollar. Parallel dazu werden erste Daten für eine mögliche Erdölsuche in Somalia ausgewertet. Zudem laufen Gespräche mit Ländern wie Pakistan, Libyen, Indonesien und Ungarn zur Energiekooperation.
Flottenausbau: Zwei neue Tiefsee-Bohrschiffe für globale Einsätze
Mit den beiden neuen Tiefseeschiffen gehört die Türkei nun zu den vier führenden Nationen mit einer eigenen Offshore-Explorationsflotte. Die Schiffe sollen in der Schwarzmeer- und Mittelmeerregion sowie bei Auslandseinsätzen, beispielsweise in Somalia und Libyen, zum Einsatz kommen.