Türkei: Erdbebenwarnung für Ankara – “Ein Beben der Stärke 6,5 bis 7 ist möglich”

Bild: Pexels.com
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02.09.2025 – 12:00 Uhr

Der renommierte Geologe Prof. Dr. Gürol Seyitoğlu von der Universität Ankara warnt eindringlich vor einer bislang unterschätzten seismischen Gefahr für die türkische Hauptstadt. Laut aktuellen Erkenntnissen könnten tektonische Bewegungen in der Region rund um Ankara ein schweres Erdbeben der Stärke 6,5 bis 7 auslösen.

Seyitoğlu betont, dass Ankara von vielen als erdbebensicher eingestuft werde, diese Einschätzung jedoch trügerisch sei. In unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums verlaufen drei aktive geologische Strukturen: die Eldivan-Elmadağ-Tektonikzone, die Abdüsselam-Tektonikzone und die Beypazarı-Kör-Störung. Diese befinden sich im Einflussbereich größerer Verwerfungen wie der Nordanatolischen Verwerfung, der Eskişehir-Störung und der Kırıkkale-Erbaa-Verwerfung.

Elmadağ-Zone im Fokus der Wissenschaft

Im Zentrum der Warnung steht die Eldivan-Elmadağ-Tektonikzone. „Unsere Messungen zeigen, dass diese Zone jährlich einer tektonischen Kompression von etwa 12,5 Millimetern unterliegt“, erklärt Seyitoğlu. GPS- und Geländedaten deuteten darauf hin, dass sich insbesondere das Gebiet rund um Elmadağ kontinuierlich hebt – ein deutliches Zeichen für aktive geologische Prozesse.

„Wenn ein schweres Erdbeben Ankara erschüttert, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit in dieser Zone entstehen“, so Seyitoğlu weiter. Entsprechende paläoseismologische Untersuchungen müssten dringend durchgeführt werden, um Rückschlüsse auf Wiederholungsintervalle potenzieller Beben zu ziehen.

Kritik an Stadtplanung und Bauweise

Besondere Sorge bereiten dem Geologen bestimmte Stadtteile Ankaras, insbesondere Demetevler. Dort sei der Zustand der Gebäude bereits jetzt alarmierend. „Wenn in Ankara die städtebauliche Erneuerung irgendwo beginnen sollte, dann dort“, so Seyitoğlu. Auch moderne Hochhäuser mit Glasfassaden stellen laut ihm im Falle eines Erdbebens ein erhebliches Risiko dar – nicht wegen Einsturzgefahr, sondern aufgrund von herabfallenden Glasscheiben bei starken Erschütterungen.

Jüngste Erdbeben als Warnsignal

Seyitoğlu verweist auch auf bereits stattgefundene Beben, wie das Erdbeben vom 30. April 2010 in Etimesgut (Magnitude 3,5) sowie das jüngste am 11. August 2025. Beide Ereignisse ereigneten sich in einer Zone zwischen den Eldivan-Elmadağ- und Abdüsselam-Strukturen. Auch die Rolle der bislang wenig erforschten Bağlıca-Verwerfung sei Teil laufender wissenschaftlicher Untersuchungen.