Kappadokien auf dem Weg zur Geothermie-Destination: Eine Zukunftsvision aus der Tiefe

14.05.2025 – 8:00 Uhr

Bei dem Gedanken an Kappadokien kommen einem sofort Feenkamine, unterirdische Städte und Heißluftballons im Morgengrauen in den Sinn. Doch unter der faszinierenden Oberfläche dieser 60 Millionen Jahre alten Landschaft regt sich etwas Neues: Die Geothermie, die bisher vor allem als Energiequelle genutzt wurde, wird in Kappadokien zur Triebkraft für eine zukunftsweisende Form des nachhaltigen Tourismus.

Dies wurde auf der JEMYAD, der Internationalen Geothermie-Investitionskonferenz in Ürgüp, deutlich: Die Zukunft Kappadokiens liegt nicht nur im Bewahren des Vergangenen, sondern auch im innovativen Umgang mit den Ressourcen der Erde. Die Konferenz war keine klassische Energieveranstaltung, sondern entfaltete eine Vision, die Tourismus, Ökologie und regionale Entwicklung miteinander verbindet.

Einer der zentralen Akteure dieser Entwicklung ist Ömer Tosun, der Gründer des renommierten Museum Hotels. Für ihn sind Kappadokiens geothermische Ressourcen nicht nur wirtschaftlich nutzbare Energiequellen, sondern auch kulturelle und ökologische Schätze. Tosuns Ansatz: Nachhaltigkeit nicht nur denken, sondern gestalten.

Geothermie: Energie mit ganzheitlichem Nutzen

Beispiele aus aller Welt zeigen, wie vielfältig geothermische Energie genutzt werden kann. In Japan sind Städte wie Beppu und Kusatsu durch ihre heißen Quellen längst nicht nur als touristische Ziele bekannt geworden, sondern auch als Elemente des Alltags. Reykjavík in Island gilt als Vorzeigemodell für eine Stadt, die fast vollständig mit Erdwärme beheizt wird. Budapest verbindet geothermische Bäder mit einer starken Marke im Gesundheitstourismus.

Auch Kappadokien hat das Potenzial, sich in diese Reihe einzureihen. Die Vision: Touristen steigen morgens mit dem Ballon in den Himmel, genießen mittags eine Auszeit in einem geothermischen Spa und lassen den Tag bei einem regionalen Bio-Dinner mit Lavendelaroma ausklingen. Dieses ganzheitliche Erlebnis zeigt, was „geothermischer Tourismus” bedeuten kann – nämlich weit mehr als nur Erholung.

Mehr als Tourismus: Ein Modell für ökologische Resilienz

Die Nutzung geothermischer Quellen geht über den Tourismus hinaus. In der Landwirtschaft, beim Heizen von Gewächshäusern oder in der Gesundheitsvorsorge bietet diese Energieform große Chancen – vor allem für strukturschwache Regionen. Projekte in Sandıklı, Afyonkarahisar oder Kütahya zeigen, wie geothermisch unterstützte Landwirtschaft Arbeitsplätze schafft und die Abhängigkeit vom klassischen Tourismus reduziert.

Mit Blick auf den „Green Deal“ der EU und die globalen Klimaziele bis 2030 wird deutlich: Investitionen in CO₂-arme Technologien wie die Geothermie sind nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich attraktiv. Das weltweite Marktvolumen für Thermaltourismus liegt bereits bei rund 80 Milliarden US-Dollar und soll bis 2030 auf über 100 Milliarden anwachsen. Welchen Anteil hat die Türkei daran? Noch deutlich unter den Möglichkeiten.

Auf der JEMYAD-Konferenz wurde ein Meilenstein angekündigt: das Kappadokien Geothermie-Exzellenzzentrum. Dieses Zentrum soll Forschung, Technologie und Tourismus vereinen und internationale Fachkräfte in die Region bringen. Gleichzeitig soll es der lokalen Bevölkerung Zugang zu Bildung, Arbeitsplätzen und Unternehmertum ermöglichen – ein inklusiver Entwicklungsansatz.

Der neue Reisende sucht Sinn

Die Erwartungen an Reisen verändern sich. Die neue Generation von Reisenden sucht nicht nur nach Schönheit, sondern auch nach Sinn, Authentizität und nachhaltigen Erlebnissen. Geothermischer Tourismus vereint viele dieser Elemente: Gesundheit, Umweltbewusstsein, kulturelle Tiefe und soziale Verantwortung. Wenn diese Kräfte in Kappadokien zusammenwirken, entsteht eine neue Erzählung, die aus der Tiefe der Erde und der Geschichte der Menschheit gespeist wird.

Bemerkenswert an dieser Entwicklung ist, dass sie nicht von staatlicher Seite, sondern aus der Privatwirtschaft heraus vorangetrieben wird. Unternehmer wie Ömer Tosun zeigen, wie visionäre Führung nachhaltige Projekte ins Leben rufen kann. Der Staat ist hierbei nicht Initiator, sondern Unterstützer – und das, so das Signal aus Kappadokien, sollte auch künftig der Weg sein.