Istanbul – Ein bislang nie öffentlich zugänglicher Teil des berühmten Topkapı-Palasts in Istanbul ist nach aufwendiger Restaurierung erstmals für Besucher geöffnet worden. Der sogenannte Karaağalar-Trakt, ein historischer Wohnbereich innerhalb des Harems, wurde durch die türkische Präsidentschaft der Nationalpaläste in einem mehr als zehn Jahre dauernden Projekt detailgetreu instand gesetzt.
Ein einzigartiges Zeugnis osmanischer Palastkultur
Der im Jahr 1665 unter Sultan Mehmed IV. errichtete Trakt diente den schwarzen Eunuchen (Karaağalar) als Wohnbereich. Diese Männer, meist aus Regionen wie Sudan, Somalia oder Äthiopien stammend, spielten im osmanischen Palastsystem eine zentrale Rolle: Sie schützten und verwalteten den Harem, standen im Protokoll direkt unter dem Großwesir und hatten großen Einfluss auf das religiöse und politische Leben des Reichs.
Der Präsident der Nationalpaläste, Dr. Yasin Yıldız, erklärte, dass der Bau zu den authentischsten Teilen des Palastes zähle. Die Restaurierung habe besondere Sorgfalt erfordert, da der Trakt einst ältere Quartiere ersetzte, die bei einem Harembrand zerstört worden waren.
Architektur und Ausstattung aus dem 17. Jahrhundert
Das Gebäude beeindruckt durch seine dreigeschossige Struktur, kunstvolle İznik-Keramiken, handgemalte Wandverzierungen (Kalem işi), kunstvoll bemalte Schränke im Edirnekâri-Stil und eine einzigartige Raumaufteilung, die die Lebensweise der damaligen Zeit widerspiegelt.
Besondere Funde wie Inschriften aus dem Jahr 1667, darunter eine Basmala (islamische Segensformel), unterstreichen die religiöse und historische Bedeutung des Bauwerks.
Einblick in das Leben hinter den Palastmauern
Der restaurierte Trakt bietet nicht nur architektonischen Einblick, sondern lässt auch das Leben der damaligen Zeit lebendig werden: Wachsfiguren, archivierte Dokumente und Originalgegenstände aus der Palastsammlung vermitteln einen Eindruck vom Alltag der Eunuchen – Männern, die hinter den Kulissen der Osmanischen Dynastie oft mächtige Entscheidungen beeinflussten.
Die oberen Etagen dienten einst neu eingetroffenen Eunuchen, während erfahrenere Diener in die unteren Etagen wechselten. Der Trakt habe daher auch als eine Art Schule innerhalb des Palastsystems fungiert, so Yıldız.
Weitere Restaurierungen geplant
Der Karaağalar-Trakt ist Teil eines größeren Restaurierungsprogramms im Harem des Topkapı-Palasts. Bereits wiedereröffnet wurden u.a. die Privaträume von Sultan Ahmed I. und das farbenfrohe Obstzimmer (Yemiş Odası). In Zukunft sollen auch der Zwergen-Trakt (Cüceler Koğuşu) sowie die Gemächer der Konkubinen (Kadın Efendiler Daireleri) für Besucher zugänglich gemacht werden.
„Unser Ziel ist es, den gesamten Harem der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, betonte Yıldız. „Jeder einzelne Raum ist ein einzigartiger Bestandteil des osmanischen Kulturerbes.“