Der türkische Fußball steht vor einem der größten Skandale seiner Geschichte. Nach monatelangen Ermittlungen hat der nationale Fußballverband TFF (Türkiye Futbol Federasyonu) drastische Konsequenzen gezogen. Mehr als 1.000 Spieler und zahlreiche Schiedsrichter wurden wegen mutmaßlicher Wettvergehen suspendiert. Gegen acht Verdächtige, darunter ein prominenter Vereinspräsident, wurden Haftbefehle erlassen.
Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu befindet sich unter den Festgenommenen Murat Özkaya, der Präsident des Erstligisten Eyüpspor. Den Beschuldigten werden Amtsmissbrauch, Wettbewerbsmanipulation und Spielbetrug vorgeworfen. Elf weitere Verdächtige kamen gegen Auflagen frei.
Bereits Ende Oktober hatte der Verband öffentlich gemacht, dass 152 Unparteiische an Sportwetten teilgenommen haben sollen. 149 Schiedsrichter und Assistenten wurden daraufhin für Zeiträume zwischen acht und zwölf Monaten gesperrt. Nun hat der Skandal deutlich größere Dimensionen erreicht: Laut TFF sind 1.024 Spieler aus verschiedenen Ligen betroffen, darunter 27 Profis aus der höchsten türkischen Spielklasse, der Süper Lig.
Auch Topklubs betroffen
Laut Berichten türkischer Medien sollen sich unter den Verdächtigen auch Spieler der Traditionsvereine Galatasaray und Besiktas Istanbul befinden. Konkret genannt werden die Galatasaray-Profis Eren Elmalı und Metehan Baltacı sowie die Beşiktaş-Spieler Ersin Destanoğlu und Necip Uysal. Der Verein Fenerbahçe, derzeit Tabellenzweiter, soll bislang nicht betroffen sein.
Die betroffenen Klubs reagierten mit Zurückhaltung. Galatasaray erklärte, man vertraue auf eine „gründliche und faire Untersuchung“ und wolle den Prozess eng begleiten, ohne die Persönlichkeitsrechte der Spieler zu verletzen. Besiktas teilte mit, man habe „vollstes Vertrauen in die Unschuld der eigenen Profis“.
Einige Spieler erklärten laut türkischen Medien, sie hätten lediglich vor Jahren kleinere Wetten abgeschlossen, jedoch nie auf eigene Spiele.
Ermittlungen auch wegen Geldwäsche
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht nur wegen Spielmanipulation, sondern auch wegen mutmaßlicher Geldwäsche. Beobachter sprechen von einem weitverzweigten System, das den Charakter eines Finanzskandals angenommen hat. „Es geht auch darum, wohin die Gewinne aus diesen Wetten geflossen sind“, sagte Sportjournalist Matthias Friebe im Deutschlandfunk.
Der Verband hat die zweite und dritte Liga vorerst für zwei Wochen pausiert. Zudem steht der TFF in Gesprächen mit dem Weltverband FIFA, um den betroffenen Vereinen im kommenden Winter eine verlängerte Transferperiode zu ermöglichen. Damit sollen die durch die Sperren entstandenen Kaderlücken geschlossen werden.
Ein Skandal mit internationaler Sprengkraft
Der Fall sorgt auch außerhalb der Türkei für Aufmerksamkeit, da mehrere ausländische Profis in den türkischen Ligen aktiv sind, darunter der deutsche Nationalspieler Leroy Sané, der seit Sommer bei Galatasaray Istanbul spielt. Sané selbst wird nach aktuellem Stand nicht mit dem Skandal in Verbindung gebracht.
Mit den Ermittlungen, Suspendierungen und Haftbefehlen steht der türkische Fußball vor einer Zerreißprobe. Beobachter warnen, das Vertrauen in den Profisport könne langfristig Schaden nehmen und die Aufarbeitung werde sich noch über Monate hinziehen.