Die Ermittlungen zu illegalen Sportwetten im türkischen Fußball nehmen immer größere Ausmaße an. Nachdem der Präsident des türkischen Fußballverbands (TFF), İbrahim Hacıosmanoğlu, öffentlich erklärt hatte, dass hunderte aktive Schiedsrichter über Wettkonten verfügen, hat die Staatsanwaltschaft in Istanbul ihre Untersuchungen massiv ausgeweitet. Im Fokus stehen nicht nur die Unparteiischen, sondern auch die Spieler, Vereinsfunktionäre und sogar deren Angehörige.
Nach Informationen aus Justizkreisen werden derzeit rund 3.700 Fußballprofis auf mögliche Verbindungen zu illegalen Wettaktivitäten überprüft. Betroffen sind sämtliche Ligen – von der Süper Lig bis in die unteren Spielklassen. Die Ermittler untersuchen Daten aus den vergangenen fünf Jahren.
Verdacht auf illegale Wetten und Geldflüsse
Im Zentrum der Ermittlungen stehen 371 Schiedsrichter, von denen 152 aktiv Wetten platziert haben sollen. In Einzelfällen soll es sich um mehrere tausend Einsätze handeln. Ein Referee soll über 18.000 Wetten abgegeben haben. Mindestens sieben der beschuldigten Unparteiischen leiteten demnach kürzlich noch Spiele in der Süper Lig.
Neben den Wettkonten werden auch die Vermögenszuwächse überprüft. Wenn ein Schiedsrichter oder ein naher Angehöriger sein Einkommen nicht plausibel erklären kann, wird dies als verdächtig gewertet. Die Finanzaufsicht MASAK liefert dazu Auswertungen von Geldflüssen und Kontobewegungen, während Kommunikationsdaten (HTS-Berichte) mögliche Netzwerke beleuchten sollen.
Auslöser: Ein unscheinbares Spiel in der 2. Liga
Den Stein ins Rollen brachte ein Spiel der zweiten Liga vor rund zwei Jahren. Bei der Partie zwischen Sincan Belediyesi Ankaraspor und Nazilli Belediyespor gab es auffällige Wetteinsätze, obwohl das Spiel sportlich unbedeutend war. Mehrere Beteiligte wurden damals disziplinarisch belangt – das war der Beginn einer größeren Untersuchung.
Seither wächst die Zahl der Verdächtigen stetig. Neben aktiven Schiedsrichtern sollen auch Funktionäre und Spieler aus verschiedenen Ligen unter Beobachtung stehen. Die Ermittler erwarten, dass die Zahl der überprüften Personen weiter steigt.
Reaktionen und internationale Aufmerksamkeit
Das Ausmaß des mutmaßlichen Wettskandals sorgt inzwischen auch international für Aufsehen.
Mehrere europäische Medien berichteten ausführlich über die Vorgänge. So schrieb das französische Foot Mercato von einem „beispiellosen Korruptionsskandal im türkischen Fußball“. L’Équipe sprach von „hunderten Schiedsrichtern, die trotz Verbots auf Spiele setzen“. Die Bild-Zeitung nannte den Fall „einen Wendepunkt für den türkischen Fußball“, während Sky Sports aus Großbritannien berichtete, dass „mehr als 150 Schiedsrichter“ unter Verdacht stehen.
Mögliche Konsequenzen
Nach türkischem Recht drohen für das Platzieren oder Vermitteln illegaler Wetten empfindliche Strafen: Geldbußen von bis zu 330.000 Lira, sowie Gefängnisstrafen von drei bis sechs Jahren für diejenigen, die Wetten organisieren oder die technische Infrastruktur bereitstellen.
Die Staatsanwaltschaft plant in den kommenden Wochen weitere Befragungen und mögliche Festnahmen. Offizielle Anklagen stehen zwar noch aus, doch Beobachter sprechen bereits jetzt vom größten Wettskandal in der Geschichte des türkischen Fußballs.
 
								