Am 28. Juni feierte Türkan Şoray, die Grande Dame des türkischen Kinos, ihren 80. Geburtstag. Generationen von Kinobesuchern kennen und verehren sie als „Sultan“ von Yeşilçam – eine Ikone, die mit ihrer Anmut, Ausdruckskraft und Leidenschaft das türkische Kino über Jahrzehnte hinweg prägte. Anlässlich ihres runden Geburtstags richtet sich der Blick sowohl auf ihre einzigartige Karriere mit über 220 Filmen als auch auf ihre Entscheidung, sich vom Schauspiel zurückzuziehen.
Die produktivste Schauspielerin der Welt
1945 in Istanbul geboren, betrat Türkan Şoray im Alter von 15 Jahren mit dem Film „Köyde Bir Kız Sevdim“ die Filmwelt. Von da an ging es steil bergauf. Mit 222 Filmen ist sie die meistbeschäftigte Schauspielerin der Welt – ein Rekord, der selbst international Beachtung findet. Dabei brillierte sie nicht nur vor der Kamera, sondern bewies auch ihr Talent als Regisseurin, Drehbuchautorin und Autorin.
Warum sie sich von der Leinwand zurückzog
In einem Interview aus dem Jahr 2018 erklärte Şoray offen, warum sie seit Jahren in keiner neuen Produktion mehr mitwirkte: „Es kommen keine guten Drehbücher mehr.“ Diese schlichte, aber klare Aussage löste bei ihren Fans Bedauern, aber auch Verständnis aus. Für sie sei die Qualität der Geschichten immer das Herzstück ihrer Arbeit gewesen.
Zudem kritisierte sie die Oberflächlichkeit der heutigen Filmindustrie: „In Filmen muss es offenbar immer schöne und junge Frauen geben. Ich habe darunter sehr gelitten – schon früher wurden wir von den Intellektuellen nicht ernst genommen.“ Dass sie trotz ihrer Größe und Erfahrung heute kaum noch Rollenangebote bekommt, sei für sie schmerzhaft, aber auch ein Zeichen für strukturelle Probleme im Filmgeschäft.
Die Magie der Authentizität
Was Türkan Şoray ausmacht, lässt sich nicht allein in Zahlen oder Auszeichnungen messen. In einem bewegenden Gespräch während der 4. Internationalen Mittelmeer-Literaturtage sprach sie über das Geheimnis ihrer Wirkung: „Ich glaube, es ist die Aufrichtigkeit. Wenn ich vor der Kamera Schmerz darstellte, fühlte ich diesen wirklich – und die Zuschauer fühlten ihn mit.“ Diese tiefe Verbindung zwischen Darstellerin und Publikum sei, so Şoray, das, was sie unter der „Magie des Kinos“ verstehe.
Ein Aufruf zur Rückkehr ins Kino
Mit Blick auf die heutigen Herausforderungen der Filmbranche – insbesondere die steigenden Produktionskosten – rief Şoray das Publikum dazu auf, heimische Produktionen zu unterstützen: „Es gibt immer noch Regisseure und Produzenten, die mit großer Liebe Filme machen. Aber ohne das Publikum wird das Kino nicht überleben.“
Eine Karriere mit vielen Facetten
Neben ihrer Schauspielkarriere war Şoray auch als Regisseurin erfolgreich. Mit Filmen wie Dönüş (1972), Azap (1973) und Uzaklarda Arama (2015) bewies sie ihr Gespür für die Regie. Ihre erste Auszeichnung erhielt sie 1964 für Acı Hayat, viermal wurde sie mit dem „Goldenen Orangenpreis“ als beste Schauspielerin ausgezeichnet. 1991 ehrte der türkische Staat sie mit dem Titel „Staatskünstlerin“ und sie wirkte auch international als UNICEF-Botschafterin.
Ein stiller Abschied
Auch wenn sie sich aus der aktiven Schauspielerei zurückgezogen hat, bleibt Türkan Şoray im kollektiven Gedächtnis präsent. Sie ist mehr als nur ein Filmstar – sie ist ein Symbol für die goldene Ära des türkischen Kinos, eine Frau, die Generationen geprägt und inspiriert hat.