In der aktuellen Folge des YouTube-Formats „Bir Konu Bir Sohbet“ war diesmal der Gründer und Vorsitzende des Gastronomie-Tourismus-Verbandes, Gürkan Boztepe, zu Gast. Im Gespräch mit Moderatorin Sabiha Fındıkkıran sprach er offen über die Herausforderungen und Chancen der türkischen Gastronomie, aber auch über das oft verzerrte Bild der türkischen Küche im In- und Ausland.
Statussymbole und Preiswahrnehmung
Boztepe beobachtet einen interessanten Trend in der türkischen Gastronomieszene: „In Istanbul sieht man immer mehr Cafés. Dort hinzugehen wirkt irgendwie moderner und ‚hipper‘ als ein einfaches Teehaus zu besuchen. Dabei geht es vielen gar nicht um die Qualität des Kaffees, sondern darum, sich selbst zu positionieren.“ Ähnlich sei es bei traditionellen Gerichten wie Pide, wo das Image nicht mit der Beliebtheit mithalte.
Weltweit unterschätzt: Die Vielfalt der türkischen Küche
Laut Boztepe ist die türkische Küche international noch immer nicht richtig anerkannt: „Michelin-Sterne-Köche, die nach Istanbul kommen, wollen oft erst einmal Straßenessen wie Balık Ekmek oder Kokoreç probieren. Unsere Straßenküche ist so vielfältig und einzigartig – das wird oft übersehen.“ Er fordert eine stärkere Vermittlung der kulturellen und historischen Wurzeln der türkischen Küche, etwa durch Experten wie Historiker İlber Ortaylı, die die Geschichte hinter den Gerichten erzählen könnten.
Konkurrenz mit der italienischen Küche
Ein weiterer Kritikpunkt von Boztepe ist das erfolgreiche Marketing der italienischen Küche: „Italiener haben es geschafft, ihre Pizza und Pasta weltweit zu etablieren – angefangen bei Filmproduktionen wie ‚Der Pate‘, in denen Essen eine große Rolle spielt. Wir sollten lernen, Gastronomie auch mit anderen Kulturbranchen wie dem Film besser zu verknüpfen.“ Trotz der begrenzten Gerichte, die oft genannt werden, sei die italienische Küche ein globaler Erfolg – und türkische Gastronomen könnten davon lernen.
Ein deutscher Klassiker mit türkischen Wurzeln
Überraschend für viele ist Boztepes Behauptung, dass der Hamburger eigentlich ein türkisches Gericht sei: „In Hamburg gibt es das Gericht ‚Tatar Bifteki‘, das von einem Deutschen kopiert und als Hamburger weltweit vermarktet wurde. Dabei stammt die kulinarische Basis von uns.“ Er sieht darin ein Beispiel, wie türkische Küche und Kultur oft nicht die Anerkennung bekommen, die sie verdienen.
Hohe Preise bremsen Wachstum
Ein zentrales Thema war auch die Preisgestaltung in der türkischen Gastronomie: „Die Preise in Fine-Dining-Restaurants sind oft deutlich über dem weltweiten Durchschnitt. Das hat viele Gründe: hohe Mieten, Schwankungen bei den Rohstoffpreisen und auch die Servicequalität.“ Boztepe versteht die wirtschaftlichen Zwänge, appelliert aber an die Branche, transparenter zu kommunizieren und das Preis-Leistungs-Verhältnis zu überdenken.
Neue Wege für die türkische Gastronomie
Abschließend appelliert Boztepe an Gastronomen und Politik gleichermaßen: „Wir müssen die wahre Vielfalt und Qualität unserer Küche sichtbarer machen und dabei auch Preisaspekte realistisch betrachten. Die nächste Generation muss bewusster mit ihrer Kultur umgehen, um internationale Anerkennung zu erreichen.“ Sein Fazit: Nur durch ehrlichen Dialog und Innovation kann die türkische Gastronomie ihr volles Potenzial entfalten.