Im ersten Halbjahr 2025 wurden in der Türkei mehr als 18.000 Erdbeben registriert – das entspricht im Durchschnitt etwa vier Erdbeben pro Stunde oder 100 pro Tag, wie ein Experte warnt.
Bülent Özmen, Dozent für Katastrophenmanagement, erklärte: „Zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni haben wir 18.191 Erdbeben aufgezeichnet, was bereits nahe am Jahresdurchschnitt liegt.“
Die Türkei liegt auf fast 1.000 aktiven Verwerfungen, auch vor der Küste, und verzeichnet jährlich rund 25.000 Erdbeben. Einen Teil des Anstiegs führt Özmen auf eine Reihe von Erdbebenschwärmen nahe der griechischen Inseln Santorini und Amorgos im Januar und Februar sowie auf ein Beben der Stärke 6,2 in Istanbul am 23. April zurück.
Die Erschütterungen vor Santorini beeinflussten die Ägäisregion der Türkei, während das Beben in Istanbul viele Einwohner dazu veranlasste, wegen anhaltender Nachbeben die Nacht im Freien zu verbringen.
Die meisten Beben ereigneten sich in der Provinz Muğla im Südwesten, gefolgt von den Städten Malatya, Kütahya, Kahramanmaraş und Istanbul. Kahramanmaraş und Malatya gehörten auch zu den am stärksten vom Erdbeben am 6. Februar 2023 betroffenen Regionen.
Özmen betonte, dass mittlerweile auch Erdbeben unter Magnitude 2 erfasst werden. Die aktivsten Monate waren Februar und April.
Offiziellen Daten zufolge gab es im genannten Zeitraum 206 Beben mit einer Stärke zwischen 4,0 und 4,9, 18 zwischen 5,0 und 5,9 sowie drei mit einer Stärke über 6,0. Zu den bedeutendsten zählten das Istanbul-Beben, ein Beben im zentralanatolischen Kulu (Konya) sowie eines vor der Küste von Bozburun nahe Marmaris (Muğla). Diese Ereignisse forderten zwei Todesopfer und 452 Verletzte.
Besonders hob Özmen die jüngsten Beben in der Marmararegion hervor. Am 1. und 2. Juli erschütterten Beben der Magnituden 3,9, 4,2 und 4,3 den Gemlik-Distrikt der Provinz Bursa im Nordwesten, gefolgt von einem Beben der Stärke 3,8 am 5. Juli vor der Küste von Silivri (Istanbul), nahe dem Kumburgaz-Abschnitt der Verwerfung.
„Viele konzentrieren sich auf den nördlichen Zweig der Nordanatolischen Verwerfung, die 15 bis 20 Kilometer vor Istanbul verläuft. Diese jüngsten Erschütterungen bei Gemlik zeigen jedoch, dass auch der südliche Zweig der Verwerfung eine ernsthafte Bedrohung für Istanbul darstellt“, warnte Özmen.
Er erklärte weiter, dass die meisten Erdbeben entlang großer Verwerfungen wie der Nordanatolischen und der Ostanatolischen Linie auftreten, aber auch zentrale Regionen wie Ankara und Konya nicht sicher sind. Diese Gebiete verfügen über aktive Binnenplattenverwerfungen, die ebenfalls gefährliche Beben verursachen können, wie jüngste Erschütterungen in Kulu und Ankara zeigten.
Özmen forderte verstärkte Anstrengungen zur Risikominderung im gesamten Land, insbesondere in Istanbul und der Marmararegion. Ein Erdbeben der Stärke 7 oder höher im Marmarameer könnte demnach zwei- bis dreimal verheerender ausfallen als die Beben vom 6. Februar 2023 im Süden der Türkei.