Vergiftungsfall mit vier Toten in Istanbul: “Ich schloss das Hotel ab und ging Kebap essen” – Mitarbeiter verhaftet

Bild: DHA
20.11.2025 – 10:00 Uhr

Nach dem Tod der vierköpfigen Böcek-Familie in einem Hotel im Istanbuler Stadtteil Fatih nimmt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen des Verdachts einer Vergiftung weiter auf. Ein Hotelmitarbeiter, der am Dienstag festgenommen wurde, schilderte nun seine Version des Tathergangs – und weist jede Verantwortung von sich.

Der Angestellte M.M.U.D.C., der in der Nacht des Vorfalls Dienst hatte, erklärte laut Ermittlungsakten, er habe das Hotel kurzzeitig verlassen, um in einem nahegelegenen Kebap-Restaurant zu essen:
„Gegen 01.30 Uhr habe ich die Eingangstür abgeschlossen, um Diebstähle zu verhindern, und bin etwas essen gegangen. Wegen des Geruchs im Hotel habe ich mein Essen draußen im Garten gegessen. Als ich nach etwa 15 bis 20 Minuten zurückkam, stand ein Krankenwagen vor der Tür. Die Familie Böcek stieg gerade ein. Ich habe mit dem Vorfall nichts zu tun.“

Familie suchte zuvor wegen Übelkeit Hilfe

Die aus Deutschland angereiste Familie hatte bereits am Tag zuvor über Übelkeit geklagt. Nach Angaben des Hotelangestellten hätten die Eltern gesagt, sie hätten am Strand etwas gegessen und sich unwohl gefühlt. Er habe ihnen darum geraten, eine Klinik in der Nähe aufzusuchen.

Später am Abend wurde der Mitarbeiter erneut in das Hotel gerufen, weil ein Kollege angeblich krank war – was sich später als Ausrede herausstellte. Beim Betreten des Hotels habe er deutlichen Erbrochenengeruch wahrgenommen.

Laut Sevk-Akte zeigte sich zudem, dass der zweite Rezeptionist R.B. zunächst angegeben hatte, krank gewesen zu sein, später jedoch einräumte, er habe lediglich einen Freund treffen wollen und deshalb seinen Kollegen M.M.U.D.C. in die Nachtschicht gerufen.

Gesundheitsminister: „In den Krankenhäusern gab es keine Versäumnisse“

Gesundheitsminister Kemal Memişoğlu erklärte unterdessen, die bisherigen Untersuchungen hätten keine Hinweise darauf ergeben, dass in den Krankenhäusern Fehler gemacht wurden. „Nach allem, was wir aus den Abläufen im Krankenhaus sehen, gab es dort keine Versäumnisse. Dennoch prüfen wir jeden möglichen Aspekt“, sagte er in Ankara. Die beiden beteiligten Kliniken gehörten zu den besten des Landes. Die Ermittlungen liefen weiter und würden zeigen, woher die Vergiftung stamme. Den Berichten über eine Zunahme von Lebensmittelvergiftungen erteilte er eine Absage: „In unseren Krankenhäusern gibt es derzeit keine ungewöhnlichen Auffälligkeiten.“

Ermittler: Illegal arbeitende Schädlingsfirma im Fokus

Aus der inzwischen bekannten Sevk-Akte ergibt sich ein weiterer brisanter Verdacht:

– Das Zimmer 202 wurde am 11. November von einer Firma namens DSS mit Pestiziden behandelt – obwohl diese Firma demnach keine Genehmigung hatte.
– Der Verantwortliche Doğan C. besitzt laut Ermittlungen kein Zertifikat für Schädlingsbekämpfung.
– Der Hotelbesitzer Hakan O. soll die nicht lizenzierte Firma trotzdem beauftragt haben.

In der Akte heißt es, die drei Verantwortlichen der Schädlingsfirma hätten ihre Sorgfaltspflicht grob verletzt.

Auch gegen die beiden Hotelangestellten M.M.U.D.C. und R.B. wird ermittelt. Laut Überwachungsvideos soll Servet Böcek in der Unglücksnacht mit einem seiner Kinder auf dem Arm versucht haben, die verschlossene Eingangstür aufzubrechen, um nach draußen zu gelangen. Nachbarn halfen ihm – ehe der beschuldigte Mitarbeiter wenige Sekunden später auftauchte und die Tür öffnete.

Weitere Vergiftungsfälle im selben Hotel

Am 15. November wurden drei weitere Gäste des Hotels mit Vergiftungserscheinungen in Krankenhäuser gebracht und später entlassen.

Vier der sieben Tatverdächtigen – darunter Mitarbeiter des Hotels und der Schädlingsfirma – wurden am Montag festgenommen.