Türkei: Erdbebenserie bei Balıkesir bereitet Experten Sorge

22.09.2025 – 15:00 Uhr

Das Erdbeben der Stärke 4,9, das in der Nacht zum Sonntag um 00:05 Uhr die westtürkische Provinz Balıkesir erschütterte, hat nicht nur in der Region Sındırgı, sondern auch in umliegenden Großstädten wie Istanbul und Izmir deutlich für Unruhe gesorgt. Während Behörden bisher keine akuten Schäden oder Verletzungen meldeten, schlagen Erdbebenexperten Prof. Dr. Övgün Ahmet Ercan und Prof. Dr. Naci Görür dennoch alarmierende Töne an.

Prof. Dr. Ercan: “Die Spannungen sind noch nicht vollständig entladen”

In einem Beitrag auf der Plattform X (ehemals Twitter) erklärt Prof. Dr. Ahmet Ercan, dass es sich bei dem jüngsten Beben um eine späte Nachbebenaktivität des Sındırgı-Erdbebens von 2011 (M6,1) handeln könnte.

„Heute Nacht um 00:05 Uhr ereignete sich in Sinandede in 7 km Tiefe ein weiteres Nachbeben der Stärke M5,0. Die Spannungen in der Region sind offenbar noch nicht vollständig entladen – ähnlich wie bei den Simav-Erdbeben kann dieser Prozess noch lange andauern“, so Ercan.

Der Experte betonte zwar, dass kein Nachbeben über M6,1 zu erwarten sei, kritisierte aber scharf die aktuellen Lebensbedingungen der Menschen in der Region:

„Bei meinen Untersuchungen vor Ort habe ich gesehen, dass viele Menschen noch immer in Zelten leben. 600 Gebäude gelten als schwer beschädigt und müssen abgerissen werden, fast 1.000 Wohnhäuser sind unbewohnbar. Das ist ein Armutszeugnis für die Türkei.“

Prof. Dr. Görür warnt vor tektonisch komplexer Zone

Auch der renommierte Geologe Prof. Dr. Naci Görür äußerte sich besorgt über die seismische Aktivität im Raum Sındırgı:

„Anfangs erschienen die Beben in der Region normal – doch bei dieser Häufung lohnt sich ein genauerer Blick. Die meisten Erschütterungen ereignen sich entlang des nördlichen Horsts des Gediz-Grabensystems, einer Region, die von zahlreichen seismisch aktiven Störungen durchzogen ist. Auch andere Bruchzonen in der Nähe könnten künftig aktiv werden.“

Görür forderte, künftig bei jedem Beben die genaue Lokalisierung der aktiven Verwerfungen öffentlich zu machen, um die seismologische Einschätzung transparenter zu gestalten.

Kein Grund zur Panik – aber zur Wachsamkeit

Auch wenn die Experten derzeit kein starkes Hauptbeben erwarten, mahnen sie zur Vorsicht und besseren Vorbereitung. Besonders die Kombination aus verzögertem Wiederaufbau, anhaltender Nachbebenaktivität und tektonischer Komplexität macht die Region um Sındırgı aus Sicht der Fachwelt zu einem sensiblen Gebiet, das weiter beobachtet werden muss.