Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in den Niederlanden gab es eine überraschende Wende. Entgegen den Erwartungen vieler Wahlumfragen konnte die liberale Partei D66 (Demokraten 66) die meisten Stimmen auf sich vereinen und verdrängte die zuvor stärkste rechtspopulistische Partei von Geert Wilders auf den zweiten Platz. Damit erlitt der als Hardliner geltende Wilders eine schwere Niederlage.
Laut dem ersten Prognosergebnis des Meinungsforschungsinstituts Ipsos vom Mittwoch erhielt die sozialliberale D66 27 der 150 Sitze in der Zweiten Kammer. Sie verbuchte damit einen Zugewinn von 18 Mandaten. Die Freiheitspartei (PVV) von Geert Wilders, die bei der letzten Wahl noch 37 Sitze erzielt und eine äußerst rechtslastige Koalition gebildet hatte, verlor deutlich und kommt nun auf 25 Sitze.
Die Wahlbeteiligung lag laut der niederländischen Wahlkommission bei etwa 76,3 Prozent und damit leicht unter der von 2023.
Koalitionspoker beginnt – Mindestens vier Partner nötig
Das Ergebnis bedeutet, dass für eine stabile Mehrheit im Parlament voraussichtlich mindestens vier Parteien eine Koalition bilden müssen. Als wahrscheinlicher Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten gilt der D66-Vorsitzende Rob Jetten. Die Regierungsbildung wird jedoch als komplex eingeschätzt.
„Falls das stimmt, wird dies der größte Sieg in der 59-jährigen Geschichte der D66 sein“, kommentierte der D66-Politiker Jan Paternotte die Ergebnisse. Seine Partei habe „eine positive Geschichte erzählt“.
Timmermans tritt zurück – Rechtsbündnis scheitert
Einen herben Rückschlag erlitt das Bündnis aus Grünen und Sozialdemokraten (GroenLinks-PvdA) unter Spitzenkandidat Frans Timmermans. Es landete mit nur 20 Sitzen abgeschlagen auf dem vierten Platz. Timmermans kündigte daraufhin umgehend seinen Rücktritt als Parteichef an. „Wir haben nicht genug Menschen überzeugen können, uns zu wählen. Die Verantwortung dafür übernehme ich“, sagte er.
Einen Erfolg konnte die christdemokratische CDA verbuchen, die sich auf 19 Sitze verbesserte und damit als möglicher Koalitionspartner gestärkt ist. Auch die rechtsliberale VVD von Dilan Yeşilgöz-Zegerius schnitt mit 23 Sitzen besser ab als von vielen Umfragen vorhergesagt. Sie bleibt ein zentraler Faktor im künftigen Regierungsgefüge.
Wahlanalyse: Rückkehr zur politischen Mitte
Politische Beobachter werten das Wahlergebnis als Rückbesinnung auf die Mitte und eine Abkehr von der polarisierenden Politik der letzten Monate. Die von Wilders angeführte und als historisch rechts geltende Koalition war nach nur elf Monaten am Streit über die von der PVV geforderten strengeren Migrationsgesetze gescheitert.
Während des Wahlkampfs seien Themen wie politischer Anstand, Stabilität und verantwortungsvolle Politik deutlich prominenter behandelt worden als zuvor, hieß es in ersten Analysen. Die wichtigsten Wahlkampfthemen waren Wohnungsknappheit, Migration und die Kosten des Gesundheitssystems.