Nach dem Erdbeben bei Datça: Experten warnen vor einem möglichen „Erdbebensturm“

16.05.2025 – 12:00 Uhr

In der Nacht zum Dienstag erschütterte ein Erdbeben der Stärke 6,0 das Mittelmeer südlich der türkischen Provinz Muğla. Laut Angaben der Katastrophenschutzbehörde AFAD lag das Epizentrum rund 155 Kilometer vor der Küste der Stadt Datça in einer Tiefe von etwa 20,4 Kilometern. Obwohl das Beben auch in den umliegenden Regionen, insbesondere in Muğla, spürbar war, wurden bislang keine Schäden oder Verletzte gemeldet.

Prof. Dr. Hasan Sözbilir, der das Zentrum für Erdbebenforschung und -anwendung (DAUM) an der Dokuz-Eylül-Universität in Izmir leitet, sieht in dem Beben ein beunruhigendes Signal. „Das Epizentrum lag östlich der Insel Kreta, an der Grenze zwischen der afrikanischen und der eurasischen (Egeisch-Anatolischen) Platte. In dieser Region sind bereits Erdbeben mit Magnituden zwischen 7 und 8 aufgetreten“, erklärte der Geologe.

Zwar sei das aktuelle Erdbeben weit von der türkischen Küste entfernt gewesen und habe daher keine zerstörerischen Auswirkungen, doch die geologische Lage gebe Anlass zur Sorge. „Dieses Beben ereignete sich entlang einer aktiven Plattengrenze, direkt vor einem vulkanisch aktiven Gürtel“, so Sözbilir.

Besondere Aufmerksamkeit richtet sich nun auf die griechische Insel Santorini. Laut Sözbilir ist die seismische Aktivität dort in den vergangenen Monaten zwar abgeflaut, doch das aktuelle Beben könnte eine erneute Aktivierung auslösen. „Wir sprechen hier von einer Zone, in der die afrikanische Platte unter die anatolische Platte gleitet. Dies kann dazu führen, dass die seismische Ruhephase rund um Santorini endet und es zu einer regelrechten Erdbebenserie, einem sogenannten Erdbebensturm, kommt“, warnte der Experte.

Die Region um Santorini wurde bereits 1950 von einem starken Erdbeben erschüttert, das damals allerdings keine nennenswerten Auswirkungen auf die Türkei hatte. Sözbilir erinnert jedoch daran, dass ein starkes Beben vor der türkischen Südküste in der Vergangenheit bereits Tsunamis ausgelöst hat: „Ein Erdbeben mit einer Stärke über 7,5 in dieser Zone kann eine verheerende Welle auslösen. Auch in Regionen mit schlecht gebauten Strukturen sind schwere Schäden nicht auszuschließen.“

Trotz der aktuellen Ruhe an Land ruft der Geologe zu erhöhter Wachsamkeit auf. Die tektonische Dynamik im östlichen Mittelmeerraum bleibt hoch und erneute seismische Aktivitäten können jederzeit auftreten. Die Bevölkerung müsse entsprechend sensibilisiert und vorbereitet sein.