Geologe Prof. Dr. Üşümezsoy: Das “große Marmara-Erdbeben” in der Türkei hat längst stattgefunden

11.10.2025 – 8:00 Uhr

Der türkische Geologe Prof. Dr. Şener Üşümezsoy hat die weit verbreitete Erwartung eines bevorstehenden „Großen Marmara-Erdbebens“ deutlich infrage gestellt. In einem aktuellen Statement erklärte der Wissenschaftler, dass ein Erdbeben der Stärke 7,8 in der Region geologisch kaum möglich sei.

„Für ein Beben dieser Stärke braucht es 400 Kilometer Bruchfläche“

Laut Üşümezsoy könne ein Erdbeben von solcher Magnitude nur entstehen, wenn eine etwa 400 Kilometer lange Verwerfung aufreiße – wie es bei den Erdbeben in Kahramanmaraş im Februar 2023 der Fall gewesen sei.
„In der Marmara-Region sind die aktiven Störungszonen jedoch höchstens 180 Kilometer lang“, erklärte er. „Daher entsprechen die Prognosen vieler Experten nicht den realen geologischen Gegebenheiten.“

Adalar-Zone nicht Hauptgefahr

Üşümezsoy ging auch auf die häufig diskutierte Adalar-Zone im Marmarameer ein. Entgegen der gängigen Annahme, dass sich dort besonders hohe Spannungen aufbauen, betonte er, dass die Region nicht unter Druck, sondern durch Zugbewegungen geprägt sei.
„Die Nordanatolische Verwerfung verläuft nicht direkt unter den Prinzeninseln“, so Üşümezsoy. „Aktivere Zonen liegen vielmehr zwischen Yalova und Çınarcık.“

„Das große Beben hat bereits stattgefunden“

Der Geologe erinnerte zudem an das Erdbeben von 1999, das mit einer Stärke von 7,4 weite Teile des Marmararaums erschütterte.
„Das war das große Beben, auf das alle warten. Die Hauptverwerfung zwischen Yalova und Yeşilköy hat sich damals bereits entladen“, sagte Üşümezsoy. „Ein weiteres Beben vergleichbarer Größe ist dort in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.“

Forderung nach realistischem Risikobewusstsein

Üşümezsoy warnte davor, mit überzogenen Szenarien Angst zu schüren. „Natürlich bleibt das Risiko kleinerer lokaler Erschütterungen bestehen, aber die Vorstellung eines flächendeckenden, katastrophalen Bebens ist geologisch nicht haltbar“, betonte er.