Nach dem Erdbeben der Stärke 6,1 im westtürkischen Balıkesir hat der renommierte Geologe Prof. Dr. Naci Görür eindringlich vor der in der Türkei oft unterschätzten Erdbebengefahr gewarnt. In einem Fernsehinterview forderte er, dass die Erdbebenvorsorge zur festen Staatspolitik werden müsse.
„Wir dürfen die Realität unseres Landes nicht vergessen“, mahnte Görür. Die jüngsten Erschütterungen hätten erneut gezeigt, wie verwundbar viele Gebäude sind. Er verwies auf Russland, wo bei einem Beben der Stärke 8,8 keine Häuser eingestürzt seien, da dort erdbebensicher gebaut werde. In Balikesir hingegen hätten viele Gebäude bereits bei Stärke 6,1 schwere Schäden erlitten.
Keine exakte Vorhersage möglich
Görür betonte, dass sich Zeitpunkt, Stärke und Ort eines Bebens nicht exakt vorhersagen lassen. Wissenschaftlich könne man nur Wahrscheinlichkeiten und Gefahrenzonen benennen. Umso wichtiger sei es deshalb, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um Menschenleben und Eigentum zu schützen.
„Istanbul ist gefährlicher geworden“
Besonders besorgt zeigte sich der Wissenschaftler über die Lage in Istanbul. Das Beben der Stärke 6,2 vom 23. April habe das Risiko weiter erhöht. Zwar seien Teile der Kumburgaz-Verwerfung gebrochen, ein großer Abschnitt sei jedoch noch intakt – ebenso wie weitere Verwerfungen im Marmarameer.
Die Aussage, in Istanbul sei die Erdbebengefahr „vorbei“, sei „brandgefährlich“ und habe in der Bevölkerung zu trügerischer Sicherheit geführt. Görür warnte: „Ich halte das für einen fatalen Irrtum. Istanbul ist heute gefährlicher als zuvor.“
Sein Fazit ist eindeutig: „Es ist sicher, dass in Istanbul ein Erdbeben der Stärke 7 oder mehr auftreten wird.“