Im Zusammenhang mit dem verheerenden Brand im Grand Kartal Hotel am 21. Januar 2025 im türkischen Wintersportort Kartalkaya, bei dem 78 Menschen ums Leben kamen und 35 weitere verletzt wurden, hat die Staatsanwaltschaft nun ihre Strafanträge vorgelegt. In ihrer Anklageschrift fordert sie unter anderem langjährige Haftstrafen wegen „Mordes mit bedingtem Vorsatz“.
Hauptangeklagte: Hotelbesitzer und Führungspersonal
Im Zentrum der Anklage steht der Hotelbesitzer Halit Ergül, der sich bereits in Untersuchungshaft befindet. Ihm sowie weiteren führenden Mitarbeitern – darunter sein Schwiegersohn und Hotelmanager Emir Aras, der Geschäftsführer des benachbarten Gazelle Hotels Ahmet Demir sowie der Buchhaltungsleiter Kadir Özdemir – wird zur Last gelegt, durch grobe Vernachlässigung lebenswichtiger Sicherheitsstandards den Tod von 78 Menschen zumindest billigend in Kauf genommen zu haben.
Die Staatsanwaltschaft fordert für sie Strafen wegen:
„78-fachen Mordes mit bedingtem Vorsatz“
sowie „35-facher Körperverletzung mit bedingtem Vorsatz“
Auch Familienangehörige vor Gericht
Auch Ergüls Ehefrau, Emine Murtezaoğlu, sowie seine Töchter Ceyda Hacıbekiroğlu und Elif Aras, die offiziell als Mitglieder des Verwaltungsrats fungierten, stehen unter Anklage. Ihnen wird vorgeworfen, trotz ihrer leitenden Positionen keine ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung von Brandschutzvorgaben ergriffen zu haben. Die Anklage lautet auf: „Fahrlässige Tötung in mehreren Fällen durch bewusste Pflichtverletzung“
Weitere Angeklagte: Techniker, Sicherheitsbeauftragte – und Beamte
Auch zahlreiche weitere Verantwortliche, darunter technische Leiter, Buchhalter, Sicherheitsbeauftragte und externe Dienstleister, sollen laut Staatsanwaltschaft zur Verantwortung gezogen werden. Ihnen wird „bewusste Fahrlässigkeit mit Todesfolge“ vorgeworfen.
Besonders brisant: Auch kommunale Amtsträger stehen im Fokus der Ermittlungen. So werden gegen den Generalsekretär der Bolu İl Özel İdaresi, Sırrı Köstereli, sowie gegen den stellvertretenden Generalsekretär und Mitarbeitende des Genehmigungsamts Anklagen wegen fahrlässiger Tötung erhoben.
Darüber hinaus erhebt die Staatsanwaltschaft ungewöhnlich harte Vorwürfe gegen die Feuerwehrleitung der Stadt Bolu: Der stellvertretende Bürgermeister, der kommissarische Leiter der Feuerwehr sowie ein Feuerwehrmann werden beschuldigt, durch bewusstes Unterlassen bei der Brandbekämpfung Menschenleben gefährdet zu haben. Die Anklage lautet auch hier auf: „Mord mit bedingtem Vorsatz“ sowie „vorsätzliche Körperverletzung mit bedingtem Vorsatz“
Urteil mit Signalwirkung erwartet
Die zweite Hauptverhandlung vor dem 1. Schwurgerichtshof in Bolu ist für den 22. September 2025 angesetzt. Angesichts der Schwere der Vorwürfe und der großen öffentlichen Aufmerksamkeit gilt das Verfahren bereits jetzt als ein Meilenstein in der juristischen Aufarbeitung von Großkatastrophen in der Türkei. Die Anklage macht deutlich: Fahrlässigkeit auf Kosten der Sicherheit kann – insbesondere bei Todesfällen – auch als Vorsatz gewertet werden.