(DHA) Unter dem Namen „Ungelöste Fälle“ werden in Spielwarengeschäften, Buchhandlungen und online derzeit zahlreiche Detektiv- und Krimispiele verkauft, die teils drastische Mord- und Gewaltgeschichten enthalten – und das bereits ab 12 oder 13 Jahren. Titel wie „Die Leiche der Frau im Müll“, „Hochzeitsmord“, „Serienkillerfall“ oder „Zehrenmord“ sorgen für heftige Kritik.
Die Spiele werden in Aktenmappen präsentiert und enthalten täuschend echt gestaltete Dokumente wie angebliche Verhörprotokolle, Autopsieberichte, Tatortfotos, Chatverläufe oder einen fingierten Abschiedsbrief. Besonders auffällig: Viele dieser Produkte stehen offen in Regalen, zu denen auch jüngere Kinder jederzeit Zugang haben. Laut einem Verkäufer ist die Nachfrage bei 18-Jährigen und jünger zuletzt deutlich gestiegen.
„Ernstes Problem“ – Anwaltskammer kündigt rechtliche Schritte an
Die Vorsitzende des Kinderrechtezentrums der Anwaltskammer Antalya, Serap Ertuğrul, warnt eindringlich vor den Auswirkungen solcher Spiele:
„Diese Produkte enthalten massive Gewaltdarstellungen und können Kinder psychisch stark belasten. Dass solche Inhalte in Spielwarengeschäften verkauft werden, ist ein ernstes Problem.“
Die Anwaltskammer wolle nun Daten sammeln und rechtliche Schritte einleiten. Ertuğrul betont: „Wie bei Filmen müssen auch Spiele, die Gewalt vermitteln, streng kontrolliert werden. Kinder haben ein Recht auf Schutz.“
Kinderpsychiaterin: „Selbst für Erwachsene schwer zu ertragen“
Auch Expertinnen aus der Medizin schlagen Alarm.
Doç. Dr. Tuba Mutluer, Kinder- und Jugendpsychiaterin an der Universität Akdeniz, bezeichnet die Inhalte als „extrem belastend“ – selbst für Erwachsene:
„In einem Spiel für Jugendliche findet sich ein Abschiedsbrief, der beginnt mit: ‚Ich habe meine Lebensfreude verloren…‘ Solche Materialien dürfen niemals Spielinhalt sein.“
Kinder könnten Fiktion und Realität häufig nicht klar voneinander unterscheiden, betont Mutluer: „Ein 12-Jähriger versteht nicht, dass es sich um reine Erfindung handelt. Das kann Angststörungen, Albträume oder gefährliche Identifikationen auslösen.“
„Macht Gewalt alltäglich“ – Kritik auch aus Frauenrechtsgruppen
Die Anwältin Aylin Onursev vom Frauenrechtsausschuss der Anwaltskammer warnt zudem vor der Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen:
„Titel wie ‚Die Leiche der Frau im Müll‘ sind völlig inakzeptabel. Sie machen brutale Frauenmorde zu Unterhaltung. In einem Land, in dem Gewalt gegen Frauen nach wie vor eine drängende Realität ist, ist das ethisch nicht vertretbar.“
Experten sehen Zusammenhang mit wachsender Gewalt unter Jugendlichen
Laut Verbraucherschutzexperte İbrahim Güllü zeigen aktuelle Fälle, dass Gewaltverhalten unter Jugendlichen zunimmt. Er sieht einen Zusammenhang mit digitalen und analogen Spielen, in denen Gewalt ein zentrales Element ist:
„Kinder identifizieren sich mit Spielfiguren und übertragen diese Muster auf ihr reales Umfeld. Gewalt wird spielerisch normalisiert.“
Er fordert Altersgrenzen ab 17 Jahren sowie klare Warnhinweise wie „hoher Grad an realitätsnaher Gewalt“.
Hersteller weist Vorwürfe zurück – „Unsere Spiele sind für Erwachsene“
Ein Hersteller der betroffenen Spielreihe weist die Kritik zurück. Die Produkte seien ausschließlich für Erwachsene gedacht und entsprechend gekennzeichnet.
Man lege großen Wert auf „moralisch unbedenkliche Gestaltung“ und integriere sogar ethische Botschaften in die Begleittexte. Zudem enthalte jede Spielbox am Ende ein Videostatement, das gesellschaftliche Werte hervorhebe.
Debatte über Regulierung dürfte weitergehen
Während Hersteller auf kreative Freiheit pochen, drängen Juristen, Ärzte und Verbraucherschützer auf strengere Kontrollen und klare Alterskennzeichnungen.
Für die Verkaufsstellen könnte dies bedeuten, dass Spiele mit drastischen Inhalten künftig nicht mehr im regulären Spielwarenregal stehen dürfen.